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Tour Review ...

Rustys zweite Winterausfahrt

von Sigrid (Virginia)

Auch die zweite Winterausfahrt war nun - dank Werkstattnummer - kein Problem, sondern, bis auf die beißende Kälte ein reines Vergnügen. Am Montag, mit »nur« einer Stunde Nachmittagsfreizeit, die ich für eine kleine Ausfahrt nutzen wollte, war es wieder mal soweit. Die blaue Nummerntafel war schnell mit einer Zentralschraube verlustsicher montiert, rein in die warmen Klamotten und ein paar Kilometer durch Stadtverkehr und Nebel, der Sonne entgegen.
Kurz nach dem kleinen Ort Frastanz konnte man schon erahnen, dass oben strahlend blauer Himmel und Sonne war. Nach wenigen Kilometern durch den Nachbarort Satteins brach dann endlich voll das gleißende Licht durch den Nebel und es wurde, für die jetzigen Winterverhältnisse, mit bis zu minus 13 Grad doch noch überraschend warm. In der Sonne schmolz teilweise sogar der Schnee am Straßenrand, dank Salzstreuung traf ich aber auch in den schattigen Stellen nirgendwo auf blankes Eis. Trotzdem war Vorsicht geboten, die Reifen noch kalt, und so richtig durch die Kurven schwingen traute ich mich nur auf trockener, sonnenbeschienener Fahrbahn.
Der Motor der Estrella will ordentlich gedreht werden, auch wenn das der Fahrweise, die ich mir durch meine »Erst-Maschine« angewöhnt habe, total entgegengesetzt ist. Mangels Drehzahlmesser konnte ich nur schätzen, aber so gefühlsmäßig tat sich unter 6.000 upm überhaupt nichts, danach kam sowas ähnliches wie Temperament auf um dann wenig später in zähem Geheule auszulaufen, dass nur noch die Geräuschkulisse, nicht aber den Vorwärtsdrang erhöhte. Trotzdem, in dem relativ engen Band abrufbarer Leistung - und wenn man den Maßstab stärkerer Maschinen mit gummibandartigen Beschleunigungen mal aus dem Kopf verdrängt - machte die Estrella mächtig Spaß.
Das Fahrwerk war nun straff genug eingestellt, um nicht zu wackeln wie ein "Lamperlschwaf" wie man in Österreich sagt und auch die Verzögerung der Einzelscheibe war absolut zufrieden stellend und lies nie den Verdacht aufkommen, unsicher unterwegs zu sein. An das tickernde Arbeiten des Motors hatte ich mich inzwischen gewöhnt und nun machte es richtig Laune, das Maschinchen einfach vertrauensvoll rennen zu lassen (ohne Angst vor rutschigen Stellen auf der Straße) und die Landschaft zu genießen.

Wohl kaum jemand, von den Motorradfahrern, die ihr Gefährt nur von März bis Oktober bewegen, kann wahrscheinlich nachvollziehen, was für ein immenser Reiz es ist, dem Wetter, der Kälte und den widrigen Straßenverhältnissen zu trotzen und dick eingepackt, kaum bewegungsfähig, auf dem Motorrad sitzend zu hoffen, dass noch ein paar Momente sanft wärmender Sonne bleiben, um alles ein bisschen geschmeidiger laufen zu lassen. Die Fahrt in der eiskalten Bergluft reinigt die Sinne, lässt das Gehirn wieder konzentrierter und auf Hochtouren arbeiten und entspannt trotzdem ungemein und der stress der vergangenen Tage schmilzt einfach dahin wie Eiszapfen in der Wintersonne. Winterfahrten sind - trotz der kältebedingten Kürze - wesentlich intensiver als Sommerfahrten. Jeder Meter Asphalt wird laufend regelrecht »gescannt« - um ja keine eisige Fläche, keinen auf der Bahn liegenden Schneebrocken, keine Splitnester in den Kurven zu übersehen, die einen überraschend zu fall bringen könnten. Manchmal lassen sich kleine rutscher nicht vermeiden.
Der Boden ist einfach zu kalt - und auch die besten Schlechtwetterreifen können bei Temperaturen um den Gefrierpunkt oder gar darunter nicht viel Haftung aufbauen. vor allem nicht in Schräglage. Darum gehe ich das ganze behutsam an. Fußrasten anschleifen und bis an die Reifenkanten fahren kann ich wieder, wenn das Thermometer mindestens 15 Grad anzeigt und die Straße trocken ist. Jetzt ist bummeln und genießen angesagt.
Straßenabschnitte, die man im Sommer kaum wahrnimmt, weil nur mit leichten Knicks im Straßenverlauf, oder einfach als langweilig empfindet, werden jetzt auf einmal zur spannenden Herausforderung. Die Straße ist zwar immer noch, wie im Sommer, zweispurig ausgebaut und auch zwei breitere Autos kommen normalerweise ohne Probleme aneinander vorbei, doch im Winter sieht alles etwas anders aus. Am rechten Fahrbahnrand stapelt sich fest gefrorener Schnee und es fehlt mindestens ein halber Meter, der sonst für überraschende Ausweich- oder Bremsmanöver zur Verfügung steht. Jetzt ist da kein Platz, schon gar nicht für Beschleunigung oder sonstige "motorradübliche" Manöver. Zudem rinnt oft Schmelzwasser in leicht nach innen abfallenden Kurven und die Gefahr, auf gefrierendem Wasser auszurutschen, ist empfindlich hoch. Der Mittelstreifen ist oft noch von leichtem Schneematsch bedeckt, also auch tunlichst zu meiden. Darum bleibt oft nur ein knapper Meter von der ursprünglich 2,5 m breiten Straße für relativ gefahrlosen Motorradgenuss.
 
Der Blick auf das verschneite Bergpanorama entschädigt für die Kälte in Fingern und Nasenspitze, die relative Unbeweglichkeit in den zwiebelschichtartigen Klamotten, das konzentrierte Aufpassen auf sämtliche Veränderungen im Straßenverlauf. Die Sonne steht schon nachmittags um 4 relativ tief - und aus dem Tal schleicht schon wieder der Nebel die Berghänge hoch. Der Blick ins Tal ist durch eine leichte Nebelschicht getrübt und die Berge werfen lange Schatten. Aber in Höhen über 1000 m herrscht noch die Leichtigkeit des Seins.
Höher hinauf wage ich mich nicht, weil die Zeit drängt, ich bis um 5 wieder im Tal sein muss und meine durchfrorenen Hände langsam taub und gefühllos werden. Vereinzelt treffe ich Wanderer an, die mir groß erstaunt nachschauen, aber da die Estrella eher den Eindruck eines Mopeds denn eines ausgewachsenen Motorrades vermittelt, ist das Erstaunen nicht allzu groß. In ländlichen Gebieten werden ja oft kleine Mopeds für die täglichen Wege zur Arbeit oder kleine Besorgungen verwendet, auch im Winter, auch bei Schneematsch und Eisregen. In meiner Werkstatt bekam ich erklärt, dass es nun spezielle Winterreifen für Roller und 125er gibt, wahrscheinlich bald auch für größere Maschinen. Nichts für mich. zumindest ein schmaler Streifen Asphalt sollte befahrbar sein.
An der Abzweigung bei der Tankstelle widerstehe ich der Versuchung, weiter ins Tal hineinzufahren. Ich kenne den Streckenverlauf zu gut, als dass ich - jetzt im Winter - auf eis- und schneefreie Verhältnisse durch die enge Schlucht hoffen könnte. Also nehme ich die Abzweigung nach rechts, talauswärts und rolle gemächlich, mit der blendenden Sonne im Gesicht die großzügigen Kurven hinunter nach Thüringerberg. Unten wabert mir schon wieder der kaltfeuchte Nebel entgegen, noch nicht so dicht, dass er die Sicht wirklich beeinträchtigen könnte, aber ekelhaft kalt - und die sonnenbeschienenen Berge mit dem postkartenblauen Himmel darüber sind nur noch schemenhaft erkennbar.
Die restlichen 5 Kilometer bis nach Hause sind eine wahre Tortur. Die Temperatur ist inzwischen auf mehrere Grade unter Null gesunken, das Gefühl in den Händen praktisch nicht mehr vorhanden (was sind das für Sch....-Winterhandschuhe???) und ich schaue nur noch, dass ich heim in die warme Garage und Wohnung komme.
In der Tiefgarage angekommen, stelle ich fest, dass ich die kleine Maschine offensichtlich arg gejagt habe. Der vormals chromfarbene Auspuff ist vom Krümmer bis zum Schalldämpferende schön vergoldet, alles gleichmäßig, ohne blaue Verfärbungen. Hast schwer zu arbeiten gehabt, kleines Maschinchen, denke ich, und streiche der kleinen liebevoll über den Sattel, bevor ich mich aus meinen Zwiebelschichten schäle und die Garagentür hinter mir zumache.

Gruß Virginia
 

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