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Tour Review ...

Frühlingserwachen

von Sigrid (Virginia)

Dieses Wochenende hat doch tatsächlich der Frühling bei uns Einzug gehalten. Wurde auch langsam Zeit, denn gemessen an den letzten Jahren, ließ sich die warme Jahreszeit bis zum Beginn der Sommerzeit doch extrem lange bitten. Kurz davor hatte es noch ausgiebig geregnet, sodass nun hoffentlich auch das letzte Streusalz von den Straßen gespült war. Bestes Estrellawetter! Ich wollte es wagen, und meinen bisherigen 50-km-Touren mal eine weitere Ausfahrt hinzufügen.
Eine beliebte Nachmittagstourenstrecke führt von Feldkirch über das Große Walsertal hinauf auf die Faschina, wo der Gasthof »Sonnenkopf« zu einem netten Kaffee einlädt. Weil meine Zeit knapp - und die Rundreise erst im ersten Drittel war, wollte ich den »Sonnenkopf« links liegen lassen, aber beim nächsten Mal ...

Aber ich greife vor. Erst mal ging's durch das leicht ansteigende Großwalsertal über Schlins, Röns, St. Gerold, Sonntag. Eine kleine, beschauliche Bergstraße, die sich sanft durch die Landschaft schwingt und weder an Maschine noch an MaschinistIn besondere Anforderungen stellt. Auch die schattigen Stellen waren inzwischen schneefrei, auch wenn noch stellenweise ganze Bäche von Schmelzwasser in die Kurven flossen. Nichts für Sauberkeitsfanatiker und Ausschließlich-Schönwetterfahrer. Die Ella war in kürzester Zeit eingesaut, als hätte es die Putzorgie am Vorabend gar nie gegeben. Relativ entspannt und doch zügig ließen sich die Kurven nehmen, und es fiel kaum auf, dass die Maschine mit nur 20 zahmen Pferdchen bestückt ist.
 
Der Anstieg Richtung Faschina und Faschinapass war da jedoch von einem ganz anderen Kaliber. Kurven wollten mit viel Schwung genommen werden, runterschalten möglichst vor der Kurve dringend empfohlen und dann möglichst ohne zu bremsen durch, um nicht auf der darauf folgenden Steigung elendiglich zu verhungern. Trotzdem passierte es mir immer wieder, dass ich das Gefühl hatte, grausamst untermotorisiert zu sein. Dafür ließen sich die engen Kehren spielerisch nehmen und die Kurvengeschwindigkeit war wohl höher als die manches Supersportlers, nur mit der nachfolgenden Beschleunigung wollte es nicht so richtig klappen. Die Estrella ist eindeutig KEIN Motorrad für längere und steilere Bergauffahrten.
 
Am Faschinapass angelangt hielt ich Ausschau nach anderen Motorradfahrern - aber die Saison war wohl noch zu früh, und ich gehörte zu den ersten und einzigen »Verrückten« die sich schon in diese Höhe vorwagten. Teilweise lag noch Schnee auf der Straße, die jedoch gut befahrbar und stellenweise schon aufgetrocknet war - und ausschließlich Schifahrer aller Altersstufen bevölkerten die tief verschneiten Hänge. In der Galerie, die nach Damüls hinunter führt war es immer noch eisig kalt, teilweise hatte es Schnee hereingedrückt und die halbe Fahrbahnbreite war zu. Nicht auszudenken, wenn nicht diese Lawinenverbauung wäre. Dann wäre die Straße nach Damüls wahrscheinlich noch bis Mai oder Juni unpassierbar. Die Auffahrt Richtung Furka-Joch über Damüls ließ ich darum unbeachtet, weil der Furka nicht schneegeräumt wird und darum frühestens Anfang Juni öffnet.
 
Die Abfahrt Richtung Au/Bregenzerwald war dann ein wahrer Genuss. Kaum Verkehr, und eine freie, in sonnigen Passagen durchwegs trockene Straße. Abwärts war vom 20-PS-Handikap nichts zu spüren und ich konnte die »Ella« laufen lassen wie eine Große. Das Leichgewicht ließ sich richtig übermütig in die Kurven pfeffern - nur die links und rechts aufsetzenden Fußrasten setzen dem Übermut leider allzu früh ein Ende. Die Heimfahrt über den Bregenzerwald war dann eher lästige Routine, weil die gleiche Strecke nun auch von den heimkehrenden Schifahrern stark frequentiert wurde. Trotzdem wagte ich hin und wieder ein lebensverneinendes Überholmanöver, das mich bei einer leistungsstärkeren Maschine nur einen leichten Zupfer am Gas gekostet hätte. Aber ich vertraute auf die Wendigkeit und schmale Baubreite der Maschine.

Am nächsten Tag wollte ich es noch einmal wissen, und ich nahm die Strecke Richtung »Schwägalp« unter die Räder. Die Schwägalp ist ein nahe gelegener Alpenpass im angrenzenden Schweizer Appenzell. Die Strecke kann entweder über Altstätten und den "Stoß" angefahren werden, oder über die Strecke "Wildhaus". Ich fuhr von Gams durch die enge Klamm Richtung Wildhaus. Die Anfahrt über den Osthang des Schweizer Rheintals ist mit der kleinen Estrella nur unter vollem Leistungseinsatz und viel Schaltarbeit zu bewältigen. Oberstes Motto: »Nie, niemals den Schwung verlieren«. Bremsmanöver aufwärts leistete ich mir nur, wenn es wegen Nässe auf der Straße absolut notwendig war, ansonsten ließ ich das Gas einfach stehen und bretterte über die mir wohl vertraute Straße meiner Hausstrecke.
 
Zart besaitete Seelen werden jetzt empört aufschreien. »Eine Estrella ist doch keine Rennmaschine«. Nein, ist sie nicht, trotzdem macht es einen Heidenspaß, das kleine Maschinchen zu jagen. Die von meinem Mechaniker empfohlene Einfahrphase hatte ich ja zum Glück hinter mir - und ich denke, nun hat sie wirklich die volle Leistung. Ich freue mich schon auf den Tag, an dem ich im engen Gekurve durch die Schlucht Richtung Wildhaus weitaus größeren Motorrädern Paroli bieten kann. Beschauliches Dahin gleiten und »Blümchenpflücken« ist nicht mein Ding. Auch auf der Estrella nicht. Nein, niemals. Ich bin einfach noch zu wenig alt und »weise« um mir eine Cruiserfahrweise anzugewöhnen. Wenn, dann will ich das Material ausreizen. Was bei meiner fast 100-Ps-Ducati an lebensverachtenden Leichtsinn grenzt - und eigentlich gefahrlos nur noch auf der Rennstrecke umzusetzen ist, kann bei der Estrella richtig Spaß machen - zuweil auch frusten. Dann, wenn die Maschine ab gewissen Steigungen(8 % oder mehr)den beherzten Dreh am Gasgriff mit immer langsamer werdendem Vorwärtsdrang kommentiert. Vielleicht machte auch die dünne Luft in Passnähe zu schaffen - obwohl ich diese Eventualität eher ausschloss, denn die Schwägalp ist mit 1100 Metern kein wirklich hoher Pass. Trotzdem verzweifelte ich fast an der Gangwahl. Der höhere Gang ließ die Geschwindigkeit sinken und die Maschine »verhungern«. Der niedrigere Gang heulte gar gotterbärmlich und wollte auch nicht so richtig passen. Darum war ich froh, dass ich nach wenigen Kilometern den letzten Anstieg geschafft und die Passhöhe erreicht hatte.
 
Im Frühsommer bis Herbst empfiehlt sich ein Abstecher zum Schwägalp-Gasthaus, dessen Sonnenterasse an manchen Tagen hunderte Motorradfahrer magisch anzieht. Der Parkplatz ist dann beliebter Ort zum Benzin reden, Motorräder bewundern und seine eigenen Schmuckstücke vorführen.
Diesmal war der Parkplatz bis auf einen 125ccm Roller leer. Ich fuhr weiter. Die Straße die zuerst in engen Serpentinen passabwärts führt, dann in zügig ausgebaute Kurven übergeht, verleitet zum Schwingen. Abwärts geht alles leichter, vor allem mit der leichtgewichtigen Estrella, die sich übermütig um die Ecken schnalzen lässt. Tja, wären da nicht die früh aufsetzenden Fußrasten (da muss was gemacht werden), die mich immer wieder aus dem Konzept bringen und einmal beinahe aus der Bahn werfen. Von der »Großen« bin ich beinahe grenzenlose Schräglagenfreiheit gewohnt, nur auf der Rennstrecke schleift manchmal der Seitenständer - aber dieses Aufsetzen schon bei relativ harmlosen Schräglagen, wie bei der Estrella, das nervt. Ich beschließe, nach Alternativen zu suchen. Für die Fußrasten, wohlgemerkt, nicht für die Estrella. Abwärts sind auch vorausfahrende Autos kein Problem, da ja nie der Schwung ausgeht.
Alles in allem macht die Estrella auch im Gebirge Spaß - vorwiegend auf ebener Strecke, auf kleinen und kleinsten Nebenstrecken oder bergabwärts. Aufwärts fehlen doch das eine oder andere PS, zumindest wenn man es gewohnt ist, doch etwas zügiger unterwegs zu sein.

Kleines Erlebnis am Rande: Auf der Strecke zwischen Wildhaus und St. Johann gibt es einen kleinen Motorradhändler, der Moto Guzzi verkauft, aber auch andere Italienische Schönheiten in Pflege nimmt. Dort fuhr ich vor, um die neue »Griso« zu bewundern. Der Chef kam angelaufen, weil er eine zukünftige Kundin vermutete. Als ich ihm erklärte, ich habe schon zwei Motorräder in der Garage stehen, und derzeit keine Kohle für ein drittes, kam die Sprache, auf den »Oldtimer« Estrella, der sich, wie sich herausstellte, doch nicht so »old« war. Jedenfalls scheint das Maschinchen mehr Aufsehen zu erregen, als manch hochgezüchteter Supersportler aus demselben grünen Haus.

Gruss Virginia

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